Bd. 1: Objektive Innerlichkeit - [Grundlegung eines integralen Idealismus]; Akt und Sein - [Zur Ontologie des kritischen Spiritualismus]
Sciacca, Michele Federico:
Ausgewählte Werke in deutscher Übersetzung / Michele Federico Sciacca. – Biel/ Bienne:
Schweizerischer Wissenschafts- und Universitätsverlag
NE: Hebeisen, Michael Walter [Hrsg.]: Sciacca, Michele Federico: [Sammlung]
Bd. 1: Objektive Innerlichkeit [Grundlegung eines integralen Idealismus]; Akt und Sein [Zur Ontologie des kritischen Spiritualismus]/
aus dem Italienischen neu übersetzt und
hrsg. von Michael Walter Hebeisen. – 2020
Titel der Originalausgaben:
L’Interiorità oggettiva, in: Opere complete di Michele F. Sciacca, Bd. 1, Milano: Carlo Marzorati, 1958; bzw. L’intériorité objective, in: Opere complete di M. F. Sciacca, Bd. 1, Roma: Fatelli Bocca, 1952;
Atto ed essere, in: Opere complete di M. F. Sciacca, Bd. 6, Roma: Fratelli Bocca, 1956.
"Die Idee des Seins ist das Objekt der Einsicht (intelligentia) und bildet das intuitive Wissen, das wieder das Fundament jeden rationalen Wissens, jeden moralischen Wollens und jeden
ästhetischen Gefühles ist. Das allgemeine Sein ist kein Begriff, sondern eine Idee; es ist nicht Objekt des Urteils, und zwar gerade deshalb nicht, weil es selbst die Grundlage jeden rationalen
Urteilens bildet. Die Idee des Seins ist die Wahrheit, durch die jedes rationale, moralische und ästhetische Urteil wahr ist."
"Es handelt sich hier gar wohl um einen Idealismus; aber die Idee ist Objekt und ist als Objekt der Einsicht (intelligentia) gegeben, der sie, ohne von ihr geschaffen zu sein, innewohnt; die Idee
bewirkt es, dass die Einheit einsichtig ist; wir haben somit einen objektiven oder transzendentalen Idealismus vor uns, der gleichzeitig in theistischer Idealismus und ein integraler Realismus
ist. Das Sein ist die Wahrheit und die Wahrheit ist das Sein; es gibt keine Wahrheit ohne Denken und kein Denken ohne Wahrheit. Die hier vertretene Metaphysik der Wahrheit ist in Augustinischem
Sinne gleichzeitig eine Metaphysik der inneren Erfahrung, die aber keineswegs etwa bloss mit der Beschreibung psychischer Akte zusammenfällt, sondern vielmehr eine kritische Analyse der
integralen geistigen Tätigkeit ist."
"Diese originäre Intuition, diese ursprüngliche, von der gnoseologischen Synthese gar wohl zu unterscheidende ontologische Synthese der Einsicht (intelligentia) und ihres Objekts nennt Michele
Federico Sciacca objektive Innerlichkeit."
"Die Vernunft ist naturgemäss immanenthaft, während die Einsicht naturgemäss transzendenthaft ist. Die Vernunft strebt danach, das endlich Seiende zu erkennen und diese Erkenntnis ist ihr auch
adäquat. Anders ist dies bei der Einsicht (intelligentia), die die Intuition der Idee des Seins als der ersten Wahrheit ist. Nun gibt es aber nichts, keinen Inhalt auf der ganzen Welt und in der
ganzen Natur, der der Idee des Seins adäquat wäre. Daher findet die Einsicht (intelligentia), die das Sein intuitiv erkennt, in keinem realen Inhalt ihre Adäquation und ist daher in der
Ermangelung ihrer realen Subsistenz stets auf der Suche nach ihrem Inhalt. Die Idee des Seins schliesst somit naturgemäss jede Adäquation aus. Deswegen ist die Einsicht (intelligentia)
Transzendenz, und zwar theistische Transzendenz. Der Mensch erkennt nur das real Seiende, er erkennt nicht das Absolute Sein (Essere), von dem er nur eine Idee hat. Er ist deswegen stets vom
Bedürfnis getrieben, sich zur Intuition des Absoluten Seins zu erheben. Der menschliche Geist erkennt jedes Ding durch die Idee des Seins, ohne jedoch das dieser Idee entsprechende Absolute Sein
zu erkennen, wenn er auch stets danach sich sehnt, es zu erkennen. Daher bedeutet für den Menschen, auch wenn er sich dessen nicht bewusst wird, Denken immer, Gott mitzubedenken."
Ivo Höllhuber: M. F. Sciacca, ein Wegweiser abendländischen Geistes