2010 erschienen: Band 1
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Piovani, Pietro:
Ausgewählte Werke in deutscher Übersetzung / Pietro Piovani. – Norderstedt/Biel-Bienne:
Books on Demand/Schweizerischer Wissenschafts- und Universitätsverlag
NE: Hebeisen, Michael Walter [Hrsg.]: Piovani, Pietro: [Sammlung]
Bd. 1: Grundlegung der Moralphilosophie;
Ethische Objektivation und Absenzialismus /
aus dem Italienischen übersetzt und
hrsg. von Michael Walter Hebeisen,
mit Einführungen von Fulvio Tessitore. – 2010
ISBN 978-3-8391-3433-7
436 S., Hc., CHF 148.-- / EURO 98.00
Titel der Originalausgaben:
Principi di una filosofia della morale (Collana di filosofia, Bd. XVII). Alfredo Morano Editore, Napoli, 1972;
Oggettivazione etica e assenzialismo (Collana di filosofia, N. F. Bd. I). Alfredo Morano Editore, Napoli, 1981.
„Die Geschichte macht den Wert der Handlungen aus“, schreibt Piovani, damit einen Gegenstand seiner nachfolgenden Moralphilosophie vorwegnehmend: Wert nicht zu verstehen als ein absoluter, naturrechtlich überhöhter und dem Subjekt auferlegter, sondern als Werthaftigkeit, als eine Anspannung des Subjekts, das sich in der Verwirklichung des Lebens und seiner Existenz erfüllt, nicht nur zunehmend den Schleier auseinanderfaltet und abnimmt, der die vermutete Ontologie verdeckt, gemäss der das Leben nur eine Rückkehr ohne Hinweg darstellt.
Am Ursprung liegt das fundamentale Problem des Verständnisses der Ethik als einer historischen Wissenschaft, und zwar als Wissenschaft der Geschichte insofern als sie die freie Individualität auf diese Freiheit hin überprüft und darüberhinaus die Präsenz der Verletzung rechtfertigt, welche einem Verrat an der ursprünglichen Koexistenz gleichkommt. Man darf nicht meinen, dass die gewählte implizite Definition der Ethik als einer Wissenschaft der Geschichte nur auf eine mögliche Assonanz hinweist und eine Formel des nicht-idealistischen und anti-idealistischen kritischen Historismus wiederholt. [...] Im Gegenteil, diese Definition der Ethik wird begleitet von einer Überarbeitung des Historismus, wie er – nach den allein schon zahlreichen Beiträgen zu Hegel und Vico am Ende der 60er Jahre – zusammen mit der bereits genannten Schrift „Geschichtserfahrung und moralisches Bewusstsein“ das ganze Buch über „Philosophie und Ideengeschichte“ aus dem Jahr 1965 kennzeichnet.
Fulvio Tessitore
„Das Denken, das in sich das erkundete Unterbewusste zu umfassen versucht, darf nicht den Begriff als den Prototyp der erkenntnistheoretischen Vollendung annehmen: aber immerhin darf es ihn hinnehmen als ausgefeilte und schlüssige Form eines bewussten Lernens. Die Überlegung als solche verliert dabei keinesfalls ihre Berechtigung, sieht aber ihre Aufgabe erweitert. Selbst die Bedeutung des cogitare verändert sich dabei. Das cogito hört auf, als eine perfekte Offenbarung des esse in der Kontingenz des sum zu erscheinen. Noch bevor es sich im entdeckten Bewusstsein des Seienden artikuliert, lebt das Sich-Selbst-Denken in einem nicht reflektierten Dasein, welche die Erkenntnis nicht mehr von sich abweist, sondern soweit als möglich verfolgt, registriert und klassifiziert. Sicherlich, als Geschenk des esse verlangt das sum nach einer mindestens zu vervollkommnungsfähigen logischen Konjugation: es kann nicht zugelassen werden, wenn es das Sein nicht gibt, in seiner zu entfaltenden idealen Substanz. Das cogito ergo sum schliesst eine eine Folgerichtigkeit mit ein, die sich aus der Verwesentlichung der Idee des Seins ableiten lässt. Mein cogitare bringt notwendig eine Teilhaftigkeit am esse mit sich, wenn das Sein den Stützpunkt darstellt, wo alle Wesenheiten in ihrer Substanzialität ihre ideale Verkörperung annehmen. Mein Nachdenken über mich selbst ist in diesem Sinn ein Mich-Reflektieren im Spiegel der Essenz, in der ich mich mit meinem Denken bewege. Denken und Sein sind korrelativ, weil beide Verwesentlichungen darstellen. Dieses cogito will also bedeuten: ich bin mir bewusst, also nehme ich an einer Vervollkommnung teil, die mich zumindest potentiell mit der Fülle des Seins verbindet. Aufgrund dieses Bezugs lebe ich schon als Teil eines Ganzen und bewege mich innerhalb einer bewussten Totalität, von der ich Ausdruck bin.“
Pietro Piovani: Grundlegung der Moralphilosophie
In Neapel am 17. Oktober 1922 geboren, schloss Pietro Piovani seine Studien 1947 bei Giuseppe Capograssi ab. Zwischen 1953 und 1963 unterrichtete er an den Universitäten von Triest, Florenz und Rom, bevor er auf den Lehrstuhl für Moralphilosophie an der Universität von Neapel wechselte, den er bis zu seinem Tod 1980 innehatte. Er ist Autor von ca. 20 Werken auf den Gebieten der Rechts-, Moral- und Sozialphilosophie, sowie der süditalienischen Geistesgeschichte. Er war Mitglied der wichtigsten italienischen Akademien, darunter der Accademia dei Lincei in Rom und der Accademia Pontaniana in Neapel. Sein Vermächtnis wird in Neapel von zahlreichen Schülern gepflegt und sein Denken wird in Italien von vielen Wissenschaftern aus allen Gebieten weitergeführt. Aus Anlass seines 20. Todestages fand im Jahr 2000 in Neapel eine grosse Gedenktagung statt, die sein Fortwirken dokumentiert.