2012 erschienen: Band 5
Piovani, Pietro:
Ausgewählte Werke in deutscher Übersetzung / Pietro Piovani. – Biel/Bienne:
Schweizerischer Wissenschafts- und Universitätsverlag
NE: Hebeisen, Michael Walter [Hrsg.]: Piovani, Pietro: [Sammlung]
Bd. 5: Geschichtliche Erkenntnis und moralisches Bewusstsein;
Kleinere moralphilosophische Schriften /
aus dem Italienischen übersetzt und
hrsg. von Michael Walter Hebeisen. – 2012
ISBN 978-3-8423-8488-0
508 S., Hc. mit SU, CHF 168.-- / 128.00 EURO
Titel der Originalausgaben:
Conoscenza storica e coscienza morale, A. Morano, Napoli: 1961, 243 Seiten;
Ragioni e limiti del situazionismo etico, in: L’etica della situazione, Guida, Napoli: 1974, S. 519ff.;
Morte (e trasfigurazione?) dell’università (Gli opuscoli, H. 5), Guida Editori, Napoli 1969;
Elogio di Fausto Nicolini, A. Morano, Napoli 1967.
"Es ist eine Tatsache, dass in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, und nicht nur im italienischen Geistesleben, sondern auch in der französischen und zu einem geringeren Teil und in gewisser
Weise auch in der englischen Kultur, dass die „Problemstellung der Geschichte“, beziehungsweise die „Problematik der Geschichtlichkeit“ zusammen mit der Fragestellung nach der „Wissenschaft“ oder
„Wissenschaftlichkeit“ allgemein als akut wahrgenommen wurde; und es ist ebenfalls eine Tatsache, dass ein solches Interesse innerhalb der italienischen philosophischen Kultur besondere
Charakterzüge annehmen musste, die sich nach etwa 30 Jahren daran gewöhnt hatte, die erste Problemfrage als offengebliebene (wenn auch nur in besonderer Art und Weise für bestimmte
Problemlösungen offenstehende), die andere jedoch als abgeschlossene zu erachten. Die geistesgeschichtlichen Umstände haben den stark polemischen Zug der Eröffnung und Erneuerung der betreffenden
Fragestellungen innerhalb des italienischen kulturellen Klimas begünstigt".
[...]
"Wenn man dafür hält, dass jede geschichtliche Form der Erkenntnis, die problematisch ihrer Besonderung bewusst ist, und dass sie darauf hinausläft, sich im Willen wiederzuerkennen, das
Individuelle auszuprägen, dann erweist man nolens volens der ursprünglich romantischen Inspira-tion die Ehre, dass jede daraufhin ausgerichtete Erkenntnisform in einer der vielen möglichen Arten
und Weisen immernoch um die Grundüberzeugung von Wilhelm von Humboldt kreist, dass „in der Individualität das Geheimnis alles Daseins liegt“; dieses Innerste zu begreifen, darin liegt die
Anstrengung einer Vernunft, die sich nicht von den Enttäuschungen entmutigen lässt, die auf ihre allzu optimistischen aufklärerischen Illusionen folgte, sondern die vielmehr den einmal
eingeschlagenen Weg weiterverfolgt, und die ihr Programm eigentlich eher noch erweitert, statt es abzuändern: denn wenn sich die menschlichen Existenzen nicht von einem gänzlich einleuchtenden
und deutlich erkenntlichen, geometrisch verfahrenden Rationalismus anführen lassen, dann heisst das Gebot der Stunde, sich dabei aufzuhalten, sie in ihrem Innersten besser zu verstehen, und zwar
nicht, um die verdienstvollen Entwürfe zu einer menschlichen Vernünftigkeit verkümmern zu lassen, sondern um sie weiter zu vervollkommnen. Die der Geschichte anheimgestellte, vergeschichtlichte
Vernunft, die bis zu einer geschichtlichen Vernunft reichen mag, ist ein und dieselbe Vernünftigkeit, wie die Cartesianische Vernunft, nur dass diese von der geschichtlichen Erfahrung von ihren
anfänglich allzu leichtgläubigen Enthusiastismus befreit worden ist, wobei weitere Gesichtspunkte erhellt worden sind, die dieser Vernunft nichtsdestotrotz zum grossen Teil nicht eben fern
liegen".