Erscheint 2014: Bd. 3 zur Staatslehre

Schutzumschlag
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Capograssi-Edition - Flyer Bd. 3
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Der Staat und die Geschichte; Die Autorität und ihre Krise
Titelei, Inhaltsverzeichnis und Vorwort
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Capograssi, Giuseppe:

 

Ausgewählte Werke in deutscher Übersetzung / Giuseppe Capograssi. –Biel/ Bienne:

 

Schweizerischer Wissenschafts- und Universitätsverlag

 

NE: Hebeisen, Michael Walter [Hrsg.]: Capograssi, Giuseppe: [Sammlung]

 

Bd. 3: Der Staat und die Geschichte; Die Autorität und ihre Krise; und andere Abhandlungen /

 

aus dem Italienischen übersetzt und
hrsg. von Michael Walter Hebeisen. – 2014

ISBN 978-3-7322-9797-9

 

Titel der Originalausgaben:

Lo stato e la storia – Saggio sullo realismo nel diritto pubblico (1911), in: Opere, Milano: A. Giuffrè, 1959, Bd. 7, S. 3ff.;

Riflessioni sulla autorità e la sua crisi (1921), in: Opere, a. a. O., Bd. 1, S. 151ff.;

Il diritto secondo Antonio Rosmini (1940), in: Opere, a. a. O., Bd. 4, S. 321ff.;

Il Problema di Vittorio Emanuele Orlando (1952/ 1953), in: Opere, a. a. O., Bd. 5, S. 359ff.

 

"Als aber der Geist aufblitzt und in Erscheinung tritt, wird man mit Verwunderung gewahr, dass der Mensch in seinem innerlichen Mensch-Sein, obgleich er sich innert die unerbittlichen Grenzen seiner empirischen Konditionierung gewiesen sieht, auf einem alles andere als äusserlichen Fundament begründet liegt, das mit einer solchermassen engen, streng empirischen Grenzziehung zusammenfallen würde, sondern dass er die Grundlage seiner Menschlichkeit vielmehr in einem allgemeinverständlichen unabänderlichen Universellen findet. In dieser ihr zukommenden Universalität des Geistigen, so vielfältig diese Individualitäten in ihrer freiheitlchen Entfaltung, wird die Geschichte vom Menschen immer mehr verinnerlicht, zueigen gemacht. Die menschlichen Individuen stecken ihre Hände in das dicht gedrängte substantielle Leben, sie unterscheiden und trennen die lebendige Materie, und sie versuchen, das sich unter dem hinfälligen Beliebigen befindliche Wesentliche zu erfassen, sie versuchen, bis zu den Grundstrukturen vorzudringen, bis zum verborgenen und geheimnisvollen Innenleben, worin eine der grossartigsten Gestaltungsmächte liegt, die daraufhin an die Oberfläche dringt. Und was sie auch alles erahnen, was sie sich immer in den Kopf setzen, viele ihrer Vorstellungen, die sie mit der schöpferischen Kraft ihrer Phantasie ersinnen, erweist sich als vom wissenschaftlichen Drang nach Erkenntnis und vom politischen Gestaltungswillen in Bewegung gesetzt und von hingebungsvoller Leidenschaftlichkeit geprägt. Auf diese Weise wird die Geschichte zu einem unerschöpflichen Reservoir, woraus jeder Denker Überlegungen und Argumente schöpfen, und auch Belege für alle möglichen Behauptungen finden kann. Niemand wird bestreiten wollen, dass der Geist gedrängt war, die Geschichte gelten zu lassen, jedoch die grossartige Inkonsequenz nicht wahrhaben will, zu der die Wahrheitssuche den Geist angetrieben hat, und alle werden die geschichtliche Vielfalt ins Feld rufen und zu ihrer Gefährtin haben wollen. Diesen erwähnten Gründen lässt sich entnehmen, dass die Geschichte in der Einheit mit dem Geist begründet ist, dass die Geschichte nichts anderes ist, als der menschliche Geist, der in Entfaltung und Entwicklung begriffen ist, als die menschliche Lebensführung, und das ist der Mensch selber, der sich selber verwirklicht, und mithin als die effektive Auseinandersetzung um die Ideen und Ideale der Menschen, als deren Bemühen darum, immer weniger als ein Naturwesen dazustehen, und sich immer mehr als ein Kulturmensch zu geben. Die Geschichte macht nichts anderes aus als eine ewigwährende, nie abgeschlossene antagonistische Auseinandersetzung der Menschen mit allen Dingen dieser Welt, und darunter zuallererst mit sich selber, um sich daraufhin die geringere Natur zu unterwerfen oder sie zu beherrschen, um in der Folge alles in einen grossangelegten Rekonstruktionsversuch miteinzubeziehen; die Geschichte ist der Kampf des Menschen, um ganz und gar zu seinem Geist zu finden. In diese kämpferische Auseinandersetzung einbezogen ist der Mensch. Aber nicht der Mensch als ein Individuelles, noch als eine inhaltsleere und beliebige Abstraktion, sondern als menschlicher Geist, unermesslich reich an allen denkbaren Bedeutungsinhalten, angereichert mit seiner ganzen Empirie und seiner ganzheitlichen innerlichen Erfahrung; aber nicht der Einzelmensch, sondern im Verein mit allen anderen geistigen Wesen, zusammen mit individuellen und universellen Wesenheiten, mit allen einzeln und mit der Menschheit insgesamt. Dieser Selbstwiderspruch trägt den Antagonismus in sich, und diese strittige Auseinandersetzung mit der weitläufigen Erfahrungswelt ist nicht mehr und nicht weniger als eine Fortführung der Auseinandersetzung des Menschen mit sich selber, um sich selber. Aus dem glühenden Inneren dieser Selbstkonfrontation gehen alle Konstruktionen hervor, wie sie der Mensch der Welt der Natur und den unmittelbar faktischen Tatsachen als Überbau überlagert hat, und alle Denkgebäude, womit der Mensch diese unvermittelt gegenwärtige, faktische, natürliche Ordnung ins Geistige transformiert, zu Geist erhoben, vergeistigt hat, nehmen da ihren Ausgang".