Bd. 2: Grundprinzipien der Moralphilosophie - Studien zur Ethik von Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Spaventa, Bertrando:

 

Ausgewählte Werke in deutscher Übersetzung / Bertrando Spaventa. – Biel/Bienne:

 

Schweizerischer Wissenschafts- und Universitätsverlag

 

NE: Hebeisen, Michael Walter [Hrsg.]: Spaventa, Bertrando: [Sammlung]

 

Bd. 2: Grundprinzipien der Moralphilosophie – Studien zur Ethik von Georg Wilhelm Friedrich Hegel/

 

aus dem Italienischen übersetzt und
hrsg. von Michael Walter Hebeisen. – 2018

 

ISBN 978-3-7460-6186-3

 

 

Titel der Originalausgabe:

 

Principi di etica [Studi sull’etica di Hegel], in: Opere (Classici della filo­sofia, Bd. 12), hrsg. von Giovanni Gentile. Sansoni, Firenze, 1972, Bd. 1, S. 611ff.

 

 

Titelei, Inhaltsverzeichnis, Vorwort
Principi di etica - Titel, Vorwort.pdf
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"In der Einleitung zu seinen 'Confessioni di un metafisico' hat Terenzio Mamiani seine Abneigung gegenüber dem Hegelianismus bekräftigt,  und zwar aus zwei Gründen, die ihn selber restlos zu überzeugen vermocht haben, wie er bekennt, wonach diese philosophische Theoriebildung einerseits unrichtig, paradoxal, ja bizarr ausgefallen sei, andererseits weil sie sich für das italie-nische philosophische Denken verhängnisvoll auswirken könne, wenn man allzusehr darauf abstellen wollte. Freilich habe er sich aber, um es unverstellt zu sagen, in keinster Weise davon zu überzeugen vermocht, dass der Hegelianismus die absoluten Grundfesten der moralphiloso-phischen Prinzipien keinesfalls untergräbt, die sich restlos und grundlegend von den Zweck-rationalität und vom Willensleben der Mehrheit der Menschen unterscheiden. Dazu komme, dass die Italiener eben keine Deutschen seien, bei denen der Geist auf Höhenflügen abschweife, das Herz aber am rechten Platz, die Seele fest am Boden verankert bleibe, und das tief verinner-lichte Gefühl für das Wahre und Heilige zum Ausgleich und Schutz gegenüber der Anarchie der hochtrabenden Konstrukte gereichen könne."
"Von diesem Schlag von Einwänden ist denn auch derjenige Vorwurf, der mich am meisten herausgefordert hat, oder um es in der lebendigen und poetischen Sprache von Terenzio Mamiani zum Ausdruck zu geben, diejenige Beschuldigung, die meinen Verstand, jedoch nicht meine Seele am gründlichsten und grausamsten erschüttert hat, nämlich die Verurteilung der Hegelianischen Ethik und Moralphilosophie. Ich stelle nicht in Abrede, dass es eine erhellende und zugleich erheiternde psychologische Beobachtung ist, zuzusehen, wie das, was in anderen Augen eine neuartige und grossartige epochale Errungenschaft auf dem Gebiet der Philosophie und der Geistesgeschichte darstellt, in den Augen eines Mamiani, den Anflug eines höllischen Wirrwarrs von Ideen in revolutionären Köpfen sein soll, und im Gegenzug dazu das, was sich dem wachen Auge als Untätigkeit, Trägheit und Ermattung von längst überlebten, unergiebigen und altmodischen Lehren erweist, den Augen von Mamiani als wohlgeordnet, festgefügt und kerngesund zeigen soll. Man mag auch danach forschen, ob ein bis dahin unwahres, parado-xales, ja bizarres philosophisches System, wie dasjenige des Hegelianismus, das sich nicht leicht erschliesst, das nur wenigen zugänglich ist, und das wohl nicht dafür geeignet ist, sich jemals zu einer Glaubensüberzeugung des gemeinen Fussvolks zu erheben, oder zumindest zur Überzeu-gung einer Philosophie des Common-sense, überhaupt den öffentlichen Sitten und Gebräuchen schädlich sein könne, insbesondere wenn man auf der anderen Seite wie Mamiani Gott dafür dankbar ist, Italien endlich die Freiheit beschert zu haben, und sich von einer freiheitlichen Diskussion der noch so disparaten Lehren viel Gutes zum Wohl der Nation und endlich einen Triumphzug der Wahrheit erhofft; und auch wenn man erkannt hat, dass noch so viele Jahr-zehnte dieser kerngesunden, wohlgelehrten und selbtbescheidenen Doktrin nichts Bedeutendes hervorgebracht hat, und nicht einmal die Wunden zu heilen vermocht hat, welche Italien nun auf einmal mit dem Hegelianismus heimsuchen sollen. Diese Diagnose ist von Mamiani selber, der sich wohl besser darauf versteht, und ich teile sie in keinster Weise; ihr Urheber beneidet die philosophischen Denker aus deutschen Landen – weit mehr als ich – um ihren ethisch-morali-schen Tiefsinn und religiösen Tiefgang, der den italienischen Philosophen abgehen soll!"