Bd. 3: Grundlagen der Philosophie - Erkenntnistheorie, Logik und Metaphysik
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Spaventa, Bertrando:
Ausgewählte Werke in deutscher Übersetzung / Bertrando Spaventa. – Biel/Bienne:
Schweizerischer Wissenschafts- und Universitätsverlag
NE: Hebeisen, Michael Walter [Hrsg.]: Spaventa, Bertrando: [Sammlung]
Bd. 3: Grundlagen der Philosophie – Erkenntnistheorie, Logik und Metaphysik/
aus dem Italienischen übersetzt und
hrsg. von Michael Walter Hebeisen. – 2018
ISBN 978-3-7481-0870-2
Titel der Originalausgabe:
Logica e metafisica, in: Opere (Classici della filosofia, Bd. 12), hrsg. von Giovanni Gentile. Sansoni, Firenze, 1972, Bd. 3, S. 9ff.
Titelei, Inhaltsverzeichnis, Vorwort des Übersetzers und Herausgebers
"Die bedeutende Neukonzeption nach dem Mittelalter, worin eine Beilegung der grossangelegten Kontroverse der Zeit des Mittelalters bestanden hat, ist darin gelegen, dass die universelle Identität
der Dinge (der Substanz) im Sein, im Wesen oder in der Essenz dieser Dinge besteht. Und also hat man die Dinge als Entitäten bezeichnet. Aber damit ist nun nicht das Sein der altüberlieferten, in
die Antike zurückreichenden Ontologie gemeint, sondern eine universelle Seinsweise der Dinge, wobei die Entitäten ihren Grund im Denken finden, dem Denkvermögen innewohnen oder immanent sind.
Cogitatur, ergo est.
Diese Existenzform der Dinge ist denn konzeptionell als Kausalität vorgestellt worden, als einer unendlich aktiven Essenz. Und daher rührt denn auch die unendliche, absolute Existenzform des
Kausalzusammenhangs (von dessen unendlichem Attribut und unendlicher Modalität). Den Dingen kommt nun kein Eigenwert zu, es sei denn innerhalb dieser unendlichen, absoluten Seinsweise, und ihre
Wahrheit lässt sich denn nicht anders auffassen, als in dieser absoluten Existenzform enthalten. Nichts lässt sich aus sich allein erkennen und verstehen, sondern immer nur innerhalb der
Ord-nungsstruktur aller Dinge, im systematischen Zusammenhang des Ganzen (sodass Metaphysik und Erkenntnistheorie zusammenfallen). Und dieser Gesamtzusammenhang macht denn die Existenz-weise der
Entitäten als unendlicher, absoluter Essenzen aus.
Entweder kommt den Dingen Existenz zu, wenn die unendliche Existenz in einer blossen Aktivität der absoluten Substanz besteht (wie im Fall des Spinozismus), oder die Dinge sind wirklich, wenn die
unendliche Existenz zugleich das Aktionsprinzip der Substanz und der Dinge ausmacht. Auf diese Weise erweist sich die unendliche Existenz wesensgemäss als Subjekt, nicht bloss als Substanz.
Das zeichnet den sogenannten Idealismus aus. Dieser ist immer auch Realismus, wenn man ihn richtig versteht und wohl bedenkt, und zwar (1.) weil die Identität als Kausalität die Erfahrung und die
Anschauung des Natürlichen, der Naturphänomene erfordert, und (2.) weil die Identität als Subjekt nach der umfassenden Kette all dieser Phänomene, bis hin zur menschlichen Wesensnatur, bis zur
allumfassenden menschlich-gesellschaftlichen Lebenswelt verlangt.
So trifft es denn durchaus nicht zu, dass dieses idealistische System der Philosophie in einem blossen Apriorismus, in einer blossen Abstraktionsleitung besteht, denn in der Bestrebung nach
Identität, nach Einheit wird von den Differenzen, von den Ausprägungen der Dinge dieser Welt abstrahiert. (1.) Die Identität, wonach der Idealismus bestrebt ist, erweist sich nicht als eine
Leerstelle, als lebensfremd, praxisfern, sondern es ist ihm vielmehr dazu zu tun, mittels der absoluten Identität die verabsolutierten Differenzen beizubringen, zu erklären und zu verstehen. (2.)
Die Differenzierungen, die Differenziertheit, wovon der Idealismus absieht, erweisen sich als akzidentelle und temporäre, als unmassgebliche und wandelbare, als solche Unterschiede, die in
Erscheinung treten und wieder verschwinden, ohne sich als Konstanten (als Prinzipien der Existenzformen oder als Mittelpunkte der Lebenswelt) herauszustellen.
So ergibt sich ein absoluter Apriorismus, aber nur was die Identität betrifft, hingegen ein uneinge-schränkter A-Posteriorismus, da diese Identität nicht leer, hohl ausfällt, sondern als
wahrhaftige und reale Identität in der unendlichen Existenzweise, in der Existenzform des Absoluten besteht (daher die ununterbrochene Kausalkette, das absolute Subjekt)."