Bd. 4,1: System der Logik als Erkenntnistheorie, Bd. 1

Titelei, Inhaltsverzeichnis, Vorwort
Sistema di logica I - Titel, Vorwort.pdf
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Gentile, Giovanni:

 

Ausgewählte Werke in deutscher Übersetzung / Giovanni Gentile. – Biel/Bienne:

 

Schweizerischer Wissenschafts- und Universitätsverlag

 

NE: Hebeisen, Michael Walter [Hrsg.]: Gentile, Giovanni: [Sammlung]

 

Bd. 4,1: System der Logik als Erkenntnistheorie /

 

aus dem Italienischen übersetzt und
hrsg. von Michael Walter Hebeisen. – 2017

 

ISBN 978-3-7448-1720-2

 

Titel der Originalausgabe:

 

Sistema di logica come teoria del conoscere, in: Opere complete, Bd. 8,1. G. C. Sansoni, Firenze, 4. A. 1943 (Nachdruck 1955).

 

"Wir haben dieses System der Logik in der Erwartung konzipiert, damit dem schon lange getra-genen Bedürfnis nachzukommen, die Lücke zu schliessen, die sich in der Geschichte der Philo-sophie des Zwanzigsten Jahrhunderts aufgetan hat zwischen der althergebrachten analytischen Auffassung des Denkens, wie sich in der Logik von Aristoteles und der neuartigen Dialektik des Idealismus, wie er von Immanuel Kant in Aussicht gestellt und von Georg Wilhelm Friedrich Hegel weiterentwickelt worden ist. Diese zwei Konzeptionen der Logik sind bisanhin als einander entgegenstehend in Erscheinung getreten, ohne jede Möglichkeit eines Übergangs von der einen zur anderen, wobei auch die beiden philosophischen Systeme als antithetisch aufgefasst worden sind, die demzufolge als einander ausschliessende konzipiert waren, sodass sie beide ungeeignet waren, sich miteinander zu verbinden, um zu einem einheitlichen Entwicklungsprozess vereint zu werden. Diese Vorstellung war es denn, die uns in unserer Sichtweise, in unserem Verständnis der Philoso-phie als einer philosophia quaedam perennis (in der Auffassung von Gottfried Wilhelm Leibniz oder besser noch des Hegelianismus) als eines einheitlichen Geschichtsprozesses, dessen Entwicklung sich wahrhaftig universell ausnimmt, mächtig gestört hat; dabei trägt jedes philosophische System seine Wahrheit, seine Richtigkeit in sich, die zugleich im zeitgebundenen, entstehungszeitlichen und in einem unzeitlichen, ewigen Geltungsanspruch liegt, und worin die abgestufte Grundlage für alle späteren und überlegenen Denkstrukturen gelegen ist, und zwar in der Weise, dass alle Eingang finden in eine umfassende Erkenntnis. Diese Situation verstösst aber unseres Erachtens vor allem gegen die Denkerfahrungen auf dem Gebiet der Logik, wo sich die Anhänger der früheren und der neueren Auffassung gegeneinander auflehnen – wobei die einen die Absurdität einer Identität von Gegensätzen ausrufen und die anderen das Vorgehen idem per idem, das Eineinheitsdenken der Identitätslogik verspotten –, wo es sich doch so verhält, dass weder die einen noch die anderen nicht anders zu denken vermögen, denn aufgrund einer apriorischen Synthesebildung, und sich dem ehernen Grundgesetz des definierenden und deduzierenden Denkverfahrens widersetzen können, wodurch die Begriffe fortwährend neu ausgearbeitet und weiterentwickelt werden, was infolge der intrinsischen Kohärenz und der beständigen Entsprechung von deren Gewissheit und Richtigkeit zeugt."

"Von allem Anfang an haben wir aufgrund unserer anfänglichen Motivation mit unserem System der Logik bezweckt, die alte, antike und die neue, moderne Auffassung miteinander auszusöhnen, und zwar dadurch, dass wir gleichsam die Eigenlogik dieser Konziliierung der einander dem Anschein nach ausschliessenden Denkmethoden zum Ausdruck bringen, um so unter Beweis stellen zu können, dass in der früheren Analytik, wenn sie denn im Licht der Philosophie untersucht wird, die ihr den Beweggrund geliefert hat, die Grundlage für die moderne dialektische Logik liegt, die in der geistesgeschichtlichen Überlieferungstradition zu verstehen ist, im Zusammenhang mit den Denkansätzen, von denen sie ihr Daseinsrecht ableitet, und die von ihrer Geschraubtheit zu befreien ist, von der sie infolge der Uneinsichtigkeit, die prima facie ihre Begründetheit beschlägt, in Mitlei-denschaft gezogen worden ist."