Bd. 7,6: Antonio Rosmini-Serbati und Vincenzo Gioberti - Eine geistesgeschichtliche Studie zur Philosophie des italienischen Risorgimento

Titelei, Inhaltsverzeichnis, Vorwort des Herausgebers
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Gentile, Giovanni:

 

Ausgewählte Werke in deutscher Übersetzung / Giovanni Gentile. – Biel/Bienne:

 

Schweizerischer Wissenschafts- und Universitätsverlag

 

NE: Hebeisen, Michael Walter [Hrsg.]: Gentile, Giovanni: [Sammlung]

 

Bd. 7,6: Antonio Rosmini-Serbati und Vincenzo Gioberti – Eine geistesgeschichtliche Studie zur Philosophie des italienischen Risorgimento /

 

aus dem Italienischen übersetzt und
hrsg. von Michael Walter Hebeisen. – 2016

 

ISBN 978-3-7412-0739-6

 

 

Titel der Originalausgabe:

 

(Rosmini e Gioberti – Saggio storico sulla filosofia italiana del Risorgimento, Opere complete di Giovanni Gentile, Bd. 25. Sansoni, Firenze 1958.)

 

 

 

Ein weniger gut bekanntes und seltener untersuchtes Gebiet der Geschichte der Philosophie macht im allgemeinen die italienische Geistesgeschichte und Philosophie aus, wenn man von ihren Vertretern in der Scholastik und Renaissance absieht, die aber eher dem europäischen als dem italienischen Kontext zuzurechnen sind, da sie es unbestrittenermassen nicht allzuviel auf die nationalen Eigenarten ihrer Heimat haben ankommen lassen. Und so kommt es denn, dass wenn man das Aufkommen der modernen Philosophie in Betracht zieht, und sich dazu anschickt, die verschiedenen Richtungen der philosophischen Theoriebildung auszumachen, die Philosophie in Italien darin kein Platz findet, ganz im Gegensatz etwa zur französischen oder englischen Philosophie, wie dies in einer der jüngsten umsichtigen Philosophiegeschichten von Harald Høffding geschehen ist; und dabei lässt man dann sogar Giovanni Battista Vico ausser Betracht, welcher ehrwürdige Vordenker allein schon dazu ausreichte, innerhalb der geistesgeschichtlichen Entwicklung des philosophischen Denkens repräsentativ für das damalige Geistesleben in Italien dazustehen. Von Pasquale Galuppi, Antonio Rosmini-Serbati und Vincenzo Gioberti kann man dagegen nicht mit Fug und Recht behaupten, dass sie in Vergessenheit geraten seien, und zwar weil sie noch garnie entdeckt und bekannt gemacht worden sind. Letztlich mag es den ausländischen Betrachtern so erscheinen, als ob in Italien nach der Verurteilung von Giordano Bruno zum Tod auf dem Scheiterhaufen und nach der Verbannung von Tommaso Campanella in den Kerker jede eigentlich philosophische Ader versiegt sei, sodass es den wenigen Gestalten, die gleich glänzenden Sternen in grossen Abständen am Firmament über einem mit Wolken bedeckten Himmel erstrahlen, nicht recht gelingen mag, die stockfinstere Dunkelheit zu verscheuchen, die das Geistesleben in Italien während dreihundert Jahren in den Schatten gestellt haben soll.

 

Es ist nun aber allgemein bekannt, oder es müsste unterdessen bekannt geworden sein, was an dieser Beurteilung zutreffend, beziehungsweise unzutreffend ausfällt; und dennoch sind sich die Italiener gewöhnlich der Verantwortung nur ungenügend bewusst, die sie selber auf sich zu nehmen haben, was die Unrichtigkeit dieses Urteils betrifft. Aber haben wir uns denn mit unserer selbstkritischen Einstellung auch genügend darum bemüht, die Bedeutung und Wichtigkeit der italienischen Philosophen für die allgemeine europäische Geistesgeschichte herauszustellen? Und haben wir denn der reichhaltigen Fachliteratur, wie sie sich im europäischen Ausland in unermüdlicher Forschungsarbeit zu den betreffenden grossartigen und unbedeutenderen philosophischen Denkern angesammelt hat, überhaupt etwas entgegenzusetzen, das diesen philosophiegeschichtlichen Bemühungen wenn nicht gleichkommen, so doch entsprechen könnte? Und als wir Italiener, wiederauferstanden in einem geeinten Italien, dann endlich auch auf den Plan getreten sind, um auf dem Gebiet der Philosophie unseren Beitrag zur geistesgeschichtlich geprägten Forschung zu leisten, wo die übrigen Länder Europas uns um soviel voraus sind, haben wir uns dann nicht vielleicht allzu voreilig, insbesondere um es der Schulphilosophie in deutschen Landen gleichzutun, wieder den alten, wenn nicht antiken, und überkommenen Überlieferungstraditionen angenommen, oder aber uns ausländischen philosophischen Systemen zugewendet?